Hornrisse und –spalten

Hornrisse und -spalten haben ihre Ursache in Scherkräften, die auftreten, wenn sich die Hufe deformiert haben. Dabei handelt es sich um Ermüdungsrisse bzw. um eine Zusammenhangstrennung in Röhrchenrichtung, die dort ihren Ausgang nehmen, wo das Horn den grössten Spannungen ausgesetzt ist. Der Ursprung bzw. der Ausgang eines Hornspaltes kann im Kronrand als auch im Tragrandbereich sein.

Die Ausnahme dazu bilden verletzungsbedingte Defekte der Kronlederhaut. Dabei handelt es sich um sogenannte Hornnarben. In diesen Fällen kann oft beobachtet werden, dass die darüber liegenden Hautstrukturen vom Defekt mitbetroffen sind.

Hufmechanismus und physikalische Gesetze am Huf

Es werden hier nur einige typische Beispiele aus der Praxis aufgelistet. Risse können sich jedoch infolge verschiedener Ursachen an jeder Stelle des Hufes bilden.

Bei schiefen Hufen befindet sich eine allfällige Spalte oftmals zwischen den steileren und schrägeren Wandabschnitten eines Hufes. Die Zusammenhangstrennung wird dabei ermöglicht durch die divergierende Krafteinwirkung verschiedener Wandabschnitte: Die steileren Wandabschnitte erfahren durch den Druck des Bodens eine nach oben gerichtete Krafteinwirkung und „schieben“ hoch. Die schrägen Wandabschnitte hingehen „pendeln“ nach aussen weg. Dort wo ein solch abrupter Wechsel der Hufmechanik stattfindet, kann ein Riss entstehen.

Bei einer schräg zum Boden stehenden oder verbogenen Zehenwand kann sich ein mehr oder weniger ausgeprägter Riss in der Mitte der Zehenwand bilden. Es können sich auch mehrere kleine resp. feine Risse entwickeln. Oftmals sind rechts und links vom Riss zwei mehr oder weniger ausgeprägte Zehenabweiser zu finden. In diesem Fall ist im Bereich des Risses eine Einbuchtung bzw. Eindellung im Zehenwandhorn sicht- und fühlbar. Ein Riss kann sich hier infolge der Einbuchtung aber genauso infolge der nach schräg aussen wegpendelnden Zehenabweisern bilden.
Insbesondere bei steilwandigen Hufen, bei welchen die Zehenwand in einem ungünstigen Winkel zum Boden steht, kann die oben genannte Situation beobachtet werden. Im Anfangsstadium erscheint bei diesen Hufen der horizontale Verlauf der Zehenwand gerade und es entsteht aus der Sohlenansicht der Eindruck, als habe der Huf eine quadratische oder birnenförmige Form angenommen. Mit der Zeit ist im Zehenbereich eine von oben nach unten reichende, mehr oder weniger ausgeprägte Einbuchtung sicht- und fühlbar.

Bei flachen Hufen mit untergeschobenen Trachten, welche bereits eine unphysiologische Wandrundung ausgebildet haben, findet man im Übergang von der Wandrundung zur Seitenwand oft mehr oder weniger ausgeprägte Hornrisse. An dieser Stelle ist auch immer eine Einbuchtung sicht- und fühlbar. Die unphysiologische Wandrundung erfährt (analog wie bei den steilen Hufwandabschnitten) eine nach oben gerichtete Krafteinwirkung und schiebt ebenfalls hoch. Die daran anschliessende Seitenwand pendelt nach aussen hin weg. Ein Riss kann sich hier infolge der Einbuchtung an sich, jedoch auch infolge der untergeschobenen Trachten bilden (die Hornröhrchen im Bereich der unphysiologischen Wandrundung stehen in einem schrägeren Winkel zum Boden, als diejenigen im Seitenwandbereich).

Erfahren Hufe insgesamt zu wenig Abrieb (z.B. bei einer ausschliesslichen Haltung auf Gummimatten oder Holzschnitzel oder bei vorwiegender Weidehaltung), können sich Risse im Zehenbereich oder im angrenzenden Seitenwandbereich bilden.
Werden die Zehenwand und die Seitenwände zu lang, weichen diese dem Bodengegendruck aus, indem sie sich nach aussen verbiegen bzw. wegpendeln. Dadurch entstehen Spannungen in der Hornkapsel, welche zu Rissen führen können.

Langfristige Entwicklung

Hat sich in der Hufwand erst einmal ein Riss gebildet, wird der Effekt der divergierenden Krafteinwirkung verstärkt. Beispiel: bei einem schiefen Huf können die schiefen Wände durch die Zusammenhangstrennung nun noch mehr nach aussen hin wegpendeln. Die eröffnete Hornkapsel bietet zudem in diesem Bereich Einlass für Fäulnisbakterien.

Wird bei der Hufbearbeitung die Ursache des Hornrisses bzw. der jeweiligen Hufdeformation nicht beseitigt, kann die unphysiologische Hufsitutation langfristig nicht behoben werden.

Auch bei Riss- bzw. Spaltenbildung gilt: sobald Risse entstanden sind und diesen nicht mit geeigneter Bearbeitung entgegengewirkt wird, kann der Prozess noch schneller voranschreiten.

(c) 2017 - Françoise Rickli